Sonntag, 19. Januar 2014

Geschichten vom Reisen: 5



Heute vor einem Jahr traf ich die Franzosen Jean-Louis und Francoise im Bus von Luang Namtha nach Oudomxai in Nord-Laos. Sie sind pensionierte Nougat-Fabrikations-Besitzer aus Südfrankreich.

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Wir nannten sie Nim

Wie gut doch Sprache ohne Worte funktioniert. Kontaktaufnahme, Verbindung - mit einem Lächeln, einem Blick, mit Mimik und Gestik. Besonders gut funktioniert das mit Kindern.

Hoi An, an der Küste von Vietnam. Katja aus Slowenien, Ayold aus Holland und ich fahren mit den Mofas zum Sonnenaufgang zu den Ruinen von My Son, ca. eine Stunde von Hoi An entfernt. Zum Glück finden wir trotz der anfänglichen Finsternis den Weg, unterwegs gibt es „Frühstück“ mit köstlichen Baguettes, mit Kokosöl gebacken und mit Sesam bestreut. Hoch lebe das Erbe der Franzosen, vietnamesisch verfeinert!
Nach dem Bummeln durch die Ruinenreste in der Stille des wunderschönen Morgens beschließen wir, den ganzen Tag einfach „random“ – aufs Geratewohl drauflos -  mit dem Mofa herum zu fahren – durch kleine Dörfer, auf Lehmstraßen, zwischen den Reisfeldern, wo Bauern ihre Wasserbüffel spazierenführen... – und abzubiegen, wo immer es uns spontan einfällt.
Katja und ich teilen uns ein Mofa, auf den holprigen Straßen eine Herausforderung für die Fahrerin und eine Challenge für das Kreuz der hinten Sitzenden – wenn wir wieder mal ein Loch übersehen und zu schnell drüberrumpeln. Natürlich dauert es nicht lange und unser Hinterreifen ist platt. Beim ersten Versuch, mit viel Gestikulieren eine Luftpumpe zu bekommen, lassen uns zwei Frauen mit großem Blick einfach stehen und wenden sich ab - "nix verstehn!" Also schön langsam weiterrollen und im nächsten Dorf auf eine Mofawerkstätte hoffen – zum Glück gibt es die hier ja fast überall.
Und wirklich, beim dritten Stopp klappt es dann, ein junger Bursch weiß, was zu tun ist, und die ganze Familie schaut zu. Allerdings muss er erst irgendwo hin fahren, um einen neuen Schlauch zu besorgen – wir warten. Da im Dorf laute Musik zu hören ist, vermutet Katja eine Hochzeit,  - wir sollten doch schauen, ob wir dort nicht ein gratis Mittagessen bekommen!? Gesagt - getan, neugierig blicken wir in das riesige Festzelt, wo anscheinend fast die gesamte Dorfbevölkerung bei überlauter Popmusik am Essen und Feiern ist. Und schon werden wir eingeladen, hineingeführt, an einen freien Tisch gesetzt – Fremde bringen dem Brautpaar Glück, so wird es uns erklärt. Bald schon biegt sich der Tisch unter Essen und Bier, und quasi alle männlichen Gäste kommen uns begrüßen, stoßen mit uns an, strahlen uns an und schütteln uns die Hände – schlussendlich auch das Brautpaar. Das Fleisch wird direkt auf dem Tisch gekocht, auf einer von unten befeuerten Platte mit Bier übergossen und geköchelt, es gibt Hühnchen, Rindfleisch, Fisch, Gemüse, Gebackenes, und und und… Und Bier! Zum Glück mit viel Eis verdünnt. Ayold als der einzige Mann kommt nicht aus, ständig mit irgendwem anzustoßen und zu trinken - wir machen uns schon Gedanken, wie er wohl mit dem Mofa zurückkommen wird?!
Es ist eine riesige Hochzeit, der Bräutigam und seine Eltern leben in Kalifornien und lassen sich nicht lumpen. Was für ein Kontrast allein im Stil der Kleider zu dem dörflichen, einfachen, staubigen Leben vor dem Zelt! Es ist interessant zu sehen, dass auch anscheinend erfolgreiche, ausgewanderte Vietnamesen zurück in ihr Heimatdorf kommen und nach traditioneller Art heiraten. Ob die Braut mit nach Kalifornien ziehen wird?

Wir werden überschüttet mit Freundlichkeit und Großzügigkeit! Wo gäbe es das bei uns? Ausländer spontan zu einer Hochzeit einladen?!...
Bald finden wir uns unter den letzten Gästen, denn die Leute aus dem Dorf verlassen das Fest unmittelbar nach dem Essen, die Musik dröhnt jedoch weiter. Mit dem betrunkenen Rest der Familie wollen wir dann aber doch nicht noch länger feiern und gehen unser Mofa holen.

Und von Anfang bis Ende saß an unserem Tisch ein kleines Mädchen, das uns mit ihrem verschmitzten Lächeln und mit kraus gezogener Nase begeisterte, rührte und ein Lächeln in unsere Gesichter zauberte. Wir lächelten zurück, wir kräuselten unsere Nasen und schnitten mit ihr Grimassen.
Wir nannten sie Nim.








Sonntag, 5. Januar 2014

Geschichten vom Reisen: 3

Heute vor einem Jahr war ich in Kambodja und traf Gilles aus Paris in Battambang.
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Swingout

„Darf ich mir Ihren Mann ausborgen?!“
In ihrer Euphorie vergisst sie jegliches Taktgefühl. Herzklopfen. Swing tanzen! Swing, den sie vermisst hatte, ohne es gemerkt zu haben. Swing, der ein wichtiger und glückbringender Teil ihres Lebens vor der Reise gewesen war. Nächtelang Swing tanzen!, bis man zugleich todmüde und total aufgekratzt war.

Sie ist allein in Neuseeland unterwegs und hat sich in Christchurch Zeit zum Zeit haben genommen. An einem strahlendblauen Tag spaziert sie durch die Stadt und lässt sich auf einer Bank nieder, um zu lesen und zu träumen, um zu beobachten und sich Gedanken über das Leben und das Reisen zu machen. Auf dem Weg zum Terrassencafé am Ufer des kleinen Flusses hört sie dann Musik – ihre Musik – Swing.

Tom und Mary, 2 Neuseeländer, üben mitten in der Fußgängerzone vor einem Hintergrund aus weißen Haufenwolken für ein Festival, das am Abend startet; ihre Musik haben sie auf einem IPOD mitgebracht. Er, in weißem Hemd und Hosenträgern im Stil der 50er Jahre, wirbelt sie, die in ihrem „kleinen Schwarzen“ mit der Sonne um die Wette strahlt, in Swingouts, Lindy Turns und Reverse Charlestons auf der kleinen schwarzen Holzbühne herum.

In einer Tanzpause der beiden ergibt sich sofort ein Gespräch, das von den üblichen Einstiegsfragen gleich zum Tanzen, Tanzen als verbindende Sprache, als gemeinsam Erlebtes und gemeinsame Leidenschaft führt.
„Darf ich mir Ihren Mann ausborgen?!“ ist nun der Beginn eines Tanzes mit Tom und zugleich ein Neu-Beginn, der Wiedereinstieg in ein Gefühl, einen Zustand der Leichtigkeit und Freude, der den ganzen Abend, die durchtanzte Nacht und noch das ganze Wochenende über anhalten würde.

Tanzen als Einstieg in Begegnungen und Gespräche – so einfach ist das, weltweit.